Die Entwicklungsgeschichte des Goju-Ryu
von Jochen Xenos

 

Nach vielen Jahrhunderten Krieg um die Herrschaft übernimmt Mutsuhito den japanischen Kaiserthron. Zu dieser Zeit vollzieht sich ein grundlegender Wandel. Die Privilegien der damals regierenden Kriegerfürsten und der ihnen untergebenen Samurai wurden aufgehoben. Japan wandelte sich vom Feudalstaat zur konstitutionellen Monarchie durch die Verfassung von 1889. Auch die arme "Bauerninsel" Okinawa, längst an Japan angegliedert, wurde 1895 die 47. Präfektur Japans. Um die Insel zu unterstützen wurden Erziehungs- und Bildungsprogramme eingerichtet und viele Gebäude modernisiert.

 

 

Ein Mann namens Kanryo Higashionna war Bürger Okinawas. Er wurde später als der Heilige des Faustschlags bekannt.Seit frühester Jugend zeigte er Interesse an den bestehenden Kampfkünsten der Insel. Durch seine Arbeit als Matrose auf einem Handelsschiff fuhr er regelmaßig von Naha nach China. Dort wurde er über 16 Jahre von einem chinesischen Meister im sogenannten "Chuanfa" unterrichtet.  Nach seiner Rückkehr schuf er eine Synthese aus allem bisher Gelernten. Diese Kunst wurde Naha-te (Kunst aus Naha) genannt. Higashionna verbreitete seine Kunst intensiv, bildete Polizeibeamte aus und führte den Gruppenunterricht ein.

 

Im Jahr 1902 wurde ihm der 14-jährige Chojun Miyagi vorgestellt, der aufgrund einer Erbschaft sehr vermögend war. Nach Auffassung seiner Familie sollten ihm die Kampfkünste dabei helfen die große Verantwortung zu tragen. Anstatt sein Geld in ein Unternehmen zu investieren reiste er nach China und studierte die Künste wie sein Vorbild. Als er 1920 wieder auf Okinawa war entwickelte er die beiden Formen der Gekisai Kata. Gleichzeitig schuf er sein Meisterwerk, die Kata Tensho. Um das Karate Miyagis zu verbreiten nahm einer seiner Schüler in Japan im Jahre 1929 an einer großen Demonstration der Kampfkünste teil. Auf die Frage nach dem Namen des Stils wurde dieser mit Hanko-Ryu bezeichnet um das Gesicht Meister Miyagis zu wahren. Hanko bedeutet halbschwierig. Miyagi zitierte daraufhin einige Zeilen aus dem Bubishi wo Universum, Leben und Kampfkünste zusammenfließen. Dort ist von schweren und leichten Zeiten die Rede. Der Goju-Ryu Stil war geboren und Chojun Miyagi sein Gründer.

 

Auf seinen Reisen zwischen 1929 und 1935 lernet der Meister den jungen Gogen Yamaguchi kennen, der später sein Nachfolger in Japan werden sollte. Yamaguchi begann früh mit dem Training von Judo, Kendo und Karate. Außerdem interessierte er sich für Buddhismus und Shintoismus, der japanischen Naturreligion. Yamaguchi strebte ehrgeizig die Verbreitung des Karate an, gründete an der Ritsumeikan-Universität des erste Karate-Dojo. Gleichzeitig führte er als erster den freien Kampf (Jiyu-Kumite) ein. Zwischen 1935 und 1937 begleitete er seinen Lehrer nach Okinawa. Während des mandschurischen Konfliktes geriet er dann in Gefangenschaft und im Zweiten Weltkrieg verbrachte er 2 Jahre in sowjetischen Lagern. Wieder zurück in Japan widmete sich der Meister Yamaguchi intensiv dem Studium von Zen, Shinto und Yoga. Er verband diese Prinzipien mit dem Goju-Ryu. Chojun Miyagi starb 1953 und hinterließ sein Erbe auf Okinawa an Meitoku Yagi und Gogen Yamaguchi in Japan.

 

In den 50er Jahren reorganisierte Meister Yamaguchi seine bereits verbreitete Organisation, die er Goju-Kai nannte. Symbolisch dafür steht die Jahre zuvor eigenhändig gezeichnete "Goju-Ryu Faust". Am 20.05.1989 stirbt Gogen Yamaguchi Hanshi 10. Dan. Wegen seiner schnellen und geschmeidigen Techniken nannte man ihn auch "die Katze". In dieser Tradition stehen heute viele Karatemeister auf der ganzen Welt, die sich mit der Lehre des Goju-Ryu Karate-Do verbunden fühlen.

           

 

J.Xenos, 6. Dan, Gojukan Neuss e.V.